Zwischen den Jahren 2000 und 2015 hat sich die Anzahl der Geburten durch Kaiserschnitt (Sectio caesarea) weltweit fast verdoppelt. Während die WHO davon ausgeht, dass bei etwa 15% der Geburten ein Kaiserschnitt medizinisch indiziert wäre, sind die Sectio-Raten in einigen Ländern wie etwa Deutschland, Österreich, der Schweiz oder Italien mittlerweile doppelt so hoch.
Allein medizinisch begründet kann diese Anzahl an Kaiserschnittgeburten nicht unbedingt sein. Zwar mögen gewisse Risikofaktoren in den Industrienationen zunehmen, unter anderem das kontinuierlich ansteigende Alter der Frauen bei der Geburt oder auch die Übergewichtsproblematik. Das erklärt aber nicht, warum die Sectio-Rate in den Niederlanden annähernd halb so hoch ist wie in Deutschland und es diese auch innerhalb Deutschland um bis zu 13% schwankt (Saarland: 37,2%; Sachsen: 24,0%; Deutschland insgesamt: 30,5% | Zahlen aus dem Jahr 2017, Quelle: Destatis). Im Jahr 2017 war der Kaiserschnitt die zweithäufigste Operation bei Frauen.
In Fällen von auftretenden Komplikationen retten Kaiserschnitte zweifellos Leben. Dennoch gibt es inzwischen auch vermehrt Stimmen, die vor einer übermäßigen Nutzung der Sectio warnen.
Der Eingriff an sich ist relativ risiko-arm für Mutter und Kind. Allerdings ist die OP auch mit einigen kurz- und langfristigen Risiken verbunden.
So kann in einer Folgeschwangerschaft die Einnistung (Implantation) des Embryos im oder in der Nähe der Sectionarbe massive Probleme mit sich bringen. Etwa 6% aller extrauterinen Schwangerschaften bei Patientinnen mit vorangegangener Sectio sind Implantationen im Narbengewebe. Auch können häufiger Plazentationsstörungen im Narbengewebe auftreten. Zudem werden die möglichen Gesundheitsrisiken für die durch Sectio geborenen Kinder immer wieder kontrovers diskutiert.
Relativ unbekannt ist bisher jedoch das Kapitel der sekundären Infertilität nach einem Kaiserschnitt, also die Situation, wenn das Paar bereits ein Kind hat, aber der Versuch ein zweites Kind zu bekommen einfach nicht klappen will, sprich eine Form der Unfruchtbarkeit vorliegt. Dennoch deutet einiges darauf hin, dass sich Narbendefekte negativ auf die Konzeption auswirken. Die Narbendefekte sind auch als „Narbendehizenz“, „Isthmozele“, „Niche“ (Nische), „Cesarean Scar Defect“ oder „Pouch“ (Tasche) beschriebenen. Die Ausprägungen können Dysmenorrhoen, rezidivierenden Unterbauchschmerzen oder Blutungsstörungen sein. Narbendefekte können aber auch komplett symptomlos bleiben.
Das macht es schwierig, dieses Phänomen zu erkennen. Nicht selten erfolgt die Diagnose für eine Narbendehiszenz zufällig, etwa bei länger anhaltender Infertilität nach Sectio oder bei einer Re-Sectio.
Eine Narbendehiszenz stellt eine potentiell schwerwiegende reproduktionsmedizinische und geburtshilfliche Komplikation dar. Dennoch sind die Risikofaktoren, welche zu einer Narbendehiszenz führen, recht umstritten. Außerdem die Frage, wie genau sich eine Narbendehiszenz auf die Konzeptionsfähigkeit auswirkt. Weiters gibt es medizinisch noch keinen Konsens darüber, ab welchem Schweregrad reproduktionsmedizinische und geburtshilfliche Risiken bestehen, und ab wann und wie eine Korrektur einer Narbendehiszenz zu erfolgen hat. So sind auch Fälle von Narbendehiszenzen mit eintretender Schwangerschaft und komplikationsloser Geburt bekannt.
Unsere Erfahrungen mit der Einnistungsproblematik nach vorangegangener Sectio-Geburt und eine Übersicht über die Fachliteratur zu dieser Thematik, sowie unsere Empfehlungen finden sie in unserem Fachartikel „Reproduktionsmedizinische und gynäkologische Spätfolgen der Sectionarbe“, kürzlich erschienen in der Fachzeitschrift gyne (→ zum Artikel).
Links:
» Sectio und sekundäre Infertilität: Wird der Kaiserschnitt zum Problemfall für die Reproduktionsmedizin?
(Abstract | https://www.thieme-connect.com)
» Mögliche Ursachen für den unerfüllten Kinderwunsch bei Frauen
(Seite | http://www.kinderwunsch-blog.com)
(Startseite | http://www.kinderwunsch-blog.com)
(Seite | http://www.kinderwunsch-blog.com)